(27.8.2014) Vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden hält der Trend zu Dreifach-Isoliergläsern an. Um den hohen Gewichten dieser sehr wärmedämmenden Verglasungen entgegenzuwirken, arbeitet die Glasbranche an leichteren Alternativen.
Oft können Dreifach-Isolierglas-Einheiten nur noch unter Zuhilfenahme von technischen Montagehilfen eingesetzt werden. Das Bild zeigt den Raupenkran Robby 900 Universal des deutschen Herstellers TGT GmbH im Einsatz. Bild: TGT Teupen (Bild vergrößern)
Die Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäudehülle und speziell auch von Fenstern und Glasfassaden ist nach wie vor eine der zentralen Herausforderungen in der modernen Architektur. Neben der Optimierung der Rahmenprofile kommt dabei den eingesetzten Isolierverglasungen eine Schlüsselrolle zu. Über Jahrzehnte haben sich Zweifach-Isoliergläser durchaus bewährt. Durch das Aufbringen hocheffizienter Funktionsbeschichtungen und den Einsatz von wärmetechnisch optimierten Warm-Edge-Abstandhaltersystemen konnte der für die Wärmedämmleistung maßgebliche Ug-Wert der Gläser mit Argon-Füllung bis auf 1,0 W/m²K gesenkt werden. Durch eine zusätzlich auf der Raumseite der Verglasungseinheit aufgebrachte niedrig emittierende Beschichtung werden bei neuesten Produkten auch schon 0,9 W/m²K erreicht.
Mit Zweifach-Isolierglas lässt sich auch mit allen Tricks nicht die Dämmleistung von Dreifach-Isolierglas erzielen. Mit aktuellen Werten von bis zu 0,5 W/m²K stellt dieser Verglasungtyp zurzeit beim klassischen Isolierglasaufbau die Leistungsspitze und den Stand der Technik dar. Dieses hohe Dämmniveau führt vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden (siehe Energieeinsparverordnung) zu einem verstärkten Einsatz von Dreifach-Isoliergläsern.
Insbesondere in Deutschland werden massive Zuwächse verzeichnet. In nur vier Jahren stieg hier der Marktanteil von ca. zehn Prozent auf mittlerweile über 60% - Tendenz weiter steigend. Parallel dazu gibt es einen Trend zu größeren Glaseinheiten. Unterstützt wird diese Entwicklung durch die Weiterentwicklung der Fertigungstechnologie, die mittlerweile auch die serielle Herstellung sehr großer Zweifach- und Dreifach-Isoliergläser in höchster Präzision ermöglicht.
Der Trend zu großen Glasflächen und Dreifach-Isoliergläsern hat jedoch einen Haken. Die hohen Glasgewichte bringen Monteure und Beschläge an ihre Belastungsgrenzen. Ein Isolierglas im üblichen Dreifach-Aufbau mit drei gleichdicken Glasscheiben ist logischerweise um ein Drittel schwerer als ein Zweifach-Isolierglas. So steigt das Gewicht bei einer Scheibengröße von nur einem Quadratmeter von 20 auf 30 kg - bei einer Flachglasdicke von 4 mm.
Große, mehrere Hundert Kilogramm schwere Gläser lassen sich oft nur noch mit technischen Montagehilfen einsetzen. Das erhöht die Montagekosten erheblich. Darüber hinaus machen die schweren Scheiben neue Lösungen beim Handling in der Fertigung notwendig und treiben die Transportkosten in die Höhe. Auch die Beschlagtechnik gerät trotz intensiver Entwicklungsarbeit im Bereich der Schwerlast-Beschläge an ihre Grenzen.
Um Abhilfe zu schaffen, arbeiten Forschungseinrichtungen und Glasunternehmen gemeinsam mit Glasmaschinenbauern bereits seit Jahren an Alternativprodukten mit vergleichbaren oder besseren energetischen Eigenschaften, aber reduziertem Gewicht. Im Fokus stehen dabei ...
Die Dünnglas-Technologie hat den Sprung in die Serienreife bereits geschafft. Hinsichtlich der relevanten Werte Wärmeschutz (Ug-Wert), Gesamtenergiedurchlass (g-Wert) und Lichtdurchlässigkeit (τV) entsprechen Isoliergläser mit dünneren Gläsern den Werten herkömmlicher Dreifach-Isoliergläser oder übertreffen sie sogar.
Schon seit 2008 produziert beispielsweise das Saint-Gobain Isolierglas-Center in Deutschland Dreifach-Isoliergläser aus 3 mm dicken Gläsern. Die beiden vom Unternehmen angebotenen Funktionsgläser SGIC Climatop N Light und SGIC Climatop Lux Light sind 25% leichter als Standard-Isoliergläser und erreichen mit zwei Low-E-Beschichtungen - je nach Ausführung - Ug-Werte von 0,8 bis 0,5 W/m²K - siehe auch Baulinks-Beitrag „Dreifach-Isolierglas von SGG punktet mit Leichtigkeit“ vom 31.3.2008.
Bei der Materialwahl hat sich das Saint-Gobain Isolierglas-Center gegen den Einsatz von thermisch gehärteten Gläsern entschieden. Durch die Härtung der Einzelscheiben könnten zwar größere Scheibenabmessungen realisiert werden, diese seien aber laut eigener Aussage nicht unproblematisch:
Bedenken, nicht gehärtete Dünngläser seien mit einem erhöhten Bruchrisiko verbunden, entgegnet Wolfgang Böttcher, Leiter Technisches Marketing Saint-Gobain Glassolutions, dass es zwar in der Produktion und Logistik sowie bei den Fensterbauern einer gewissen Erfahrung im Umgang mit Dünngläsern bedürfe, ein Problem sähe er hier jedoch nicht. Die SGIC Climatop Light-Isoliergläser könnten bis zu einer Größe von 1,4 x 2,2 Meter ohne gehärtetes Glas verwendet werden.
Ebenfalls als Vorreiter beim Einsatz von Dünngläsern im Isolierglas gilt der deutsche Isolierglashersteller Energy Glas GmbH. Seit 2013 setzt das Unternehmen auf die Dünnglastechnik mit drei thermisch vorgespannten Dünngläsern (TVG plus/ESG Gläser). Für seine beiden Produkte gibt er folgende technische Werte an:
Diese Scheiben sollen im Aufbau 3 mm / 2 mm / 3 mm in TVG plus/ESG-Ausführung bis zu einer Größe von 1,50 m x 2,50 Meter gefertigt werden können. Bei größeren Abmessungen werden die Scheiben entsprechend den statischen Anforderungen dicker ausgelegt.
Als Vorteile des Einsatzes von gehärteten Gläsern führt das Unternehmen unter anderem an, dass sich das Bruchrisiko bei der internen und externen Logistik nahezu auf Null vermindere und in einem Bruchfall nach dem Einbau das Verletzungsrisiko reduziert sei. Außerdem besitzen die Isoliergläser laut Unternehmen durch die vorgespannten Dünngläser eine erheblich höhere Belastbarkeit hinsichtlich thermischer Einflüsse. Die Gefahr einer erhöhten Durchbiegung der Scheiben sieht Energy Glas nicht.
Dreifach-Isoliergläser mit Dünngläsern gelten aktuell als sinnvolle Alternative zu klassischen Glasaufbauten, sind aber keine Patentlösung für die Gewichtsproblematik, denn sie können nicht in allen Isolierglas-Einsatzfeldern verwendet werden. Dies gilt sowohl für sehr großformatige Gläser als auch für Anwendungen, bei denen vom Gesetzgeber größere Mindestglasdicken vorgeschrieben sind, beispielsweise im Bereich der Absturzsicherung.
Ungeachtet dessen lassen sich die Iso-Ausführungen mit dünneren Gläsern in vielen Fällen einsetzen. Werden die erforderlichen Berechnungen hinsichtlich der Klimabelastungen vor Ort penibel durchgeführt und wird damit sichergestellt, dass die Glasstatik den jeweiligen Anforderungen entspricht, sind die „leichten“ Isoliergläser eine nutzbringende Ergänzung zum klassischen Dreifach-Isolierglas.
Wolfgang Böttcher erklärt dazu: „Welche Abmessungen mit welchen Scheibendicken realisiert werden können, ist immer auf den Einbaufall abzustimmen. In den Bereichen, in denen dickere Scheiben für den Anwendungsfall überdimensioniert sind, ist es sinnvoll, auf dünnere Gläser auszuweichen.“
Wege, Konstruktionsprinzipien und Grenzen der Gewichtsreduzierung durch dünneres Glas oder transparente Kunststoffplatten bzw. -folien zeigt das Institut für Fenstertechnik Rosenheim (ift Rosenheim) in seinem 2013 vorgelegten Forschungsbericht „Flächengewicht Mehrscheiben-Isolierglas“ auf - siehe Baulinks-Beitrag „Flächengewicht: Forschungsbericht zu alternativen Mehrscheiben-Isolierglas-Konstruktionen“ vom 21.6.2013.
Eine mögliche Alternative zu Dünngläsern bzw. Kunststofffolien und -platten ist Vakuum-Isolierglas (VIG). Es ist als Zweifach-Glas aufgebaut, kaum zehn Millimeter dick und somit leicht. Durch die Evakuierung der Luft aus dem weniger als einen Millimeter starken Scheibenzwischenraum wird die Konvektion und Wärmeleitung nahezu ausgeschaltet. Im Zusammenspiel mit einer Low-E-Beschichtung kann so eine vergleichsweise gute Wärmedämmung erreicht werden. Damit der hohe atmosphärische Druck von 10 Tonnen pro Quadratmeter die Scheiben nicht zusammenpresst, werden kaum sichtbare Stützkörper zwischen den beiden Scheiben positioniert - in der Vergrößerung des rechten Fotos gut zu erkennen.
Die japanische Nippon Sheet Glass Co. und das chinesische Unternehmen Beijing Synergy Vacuum Glazing Technology Co. Ltd. bieten bereits industriell gefertigtes Vakuum-Isolierglas an.
Beide asiatischen Produktlösungen können allerdings wegen der hohen thermischen Belastungen für die gewählten Randverbundsysteme (Glaslot) nicht als Einzelscheiben, sondern nur als Hybrid-Lösung in einem Isolierglasaufbau, also mit einer Gegenscheibe, eingesetzt werden. Zudem sind beide Systeme mit einem sichtbaren Evakuierungsventil ausgestattet - siehe auch Beitrag „Flachglas Markenkreis holt Vakuumisolierglas nach Deutschland“ vom 29.3.2012.
In Europa arbeitet man intensiv an VIG-Lösungen, die ohne solchee Ventile auskommen, als Einzelelemente (ohne Gegenscheibe) variabel mit Floatglas, Einscheibensicherheitsglas (ESG) und Verbundsicherheitsglas (VSG) einsetzbar sind und einen Ug-Wert von 0,5 W/m²K erzielen. In Deutschland wurden bereits zwei Forschungsprojekte (VIG - Vakuum-Isolierglas und ProVIG - Produktionstechnik für Vakuum-Isolierglas) durchgeführt. Das Konsortium aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen favorisiert ein Randverbundkonzept aus verschweißten Metallfolien. Bei dieser Lösung sieht man die größten Chancen, dass der Randverbund des VIGs als Einzelelement den auftretenden Belastungen über einen Zeitraum von über 25 Jahren standhält.
Zurzeit arbeitet das Konsortium im Projekt „VIG-S“ an der entsprechenden Systemtechnik. Erst wenn man den Nachweis eines vakuumdichten und mechanisch stabilen Randverbunds erbracht hat, will man über die industrielle Umsetzung entscheiden. Und auch beim aktuell unter Beteiligung europäischer Forschungseinrichtungen und Unternehmen durchgeführten Projekt „Winsmart“, in dem serienreifes Vakuumglas mit einem Randverbund aus Zinn entwickelt werden soll, ist wohl frühestens in drei Jahren mit endgültigen Ergebnissen zu rechnen.
Erreichen die beiden in Europa aktiven Konsortien ihre Ziele hinsichtlich der Langzeitstabilität des Randverbunds für Einzelelemente, kann sich Vakuum-Isolierglas zu einem ernstzunehmenden Ergänzungsprodukt für Dreifach-Isolierglas entwickeln und in vielen Einsatzfällen zu einer Reduzierung der Elementgewichte beitragen.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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