Brotbäume und Goldbäume - Mein Frankreich

2022-05-29 00:09:09 By : Ms. tina tu

Die Cevennen sind bis heute eine einsame, arme Region. Um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern, wurden bereits im Mittelalter gezielt Kastanien gepflanzt.

Im 16. Jahrhundert war er zum vorherrschenden Baum der Bergregion geworden. Die “Brotbäume“ stillten nicht nur tagein, tagaus den Hunger der Gebirgler, sondern auch ihrer Tiere.

Gelagert wurden die Esskastanien in der cleda, zweistöckigen Speichern am Haus oder mitten im Hain, in denen bis zu zehn Tonnen Kastanien getrocknet werden konnten. Mehr als 200 Kastaniensorten wuchsen einst in den Cevennen.

1875 vernichtete die Tintenkrankheit große Bestände. In den 1950er-Jahren zerstörte der aus den USA eingeschleppte Rindenkrebs viele Bäume.

Heute pflegt die Nationalparkverwaltung die alten Haine. Die Arme-Leute-Frucht hat längst als regionale Spezialität Karriere gemacht. Das Holz ist als Baumaterial begehrt.

Alles wurde einst verwendet. Aus den Ästen entstanden Körbe. Das Laub diente im Stall als Einstreu. Und in manchen Tälern galten Maronen und Kastanien sogar als Zahlungsmittel.

Von der Wiege bis zum Grab begleitete die Kastanie das Leben der Cévenols – und prägte ihre Sitten und Kultur. Bei der afachada, dem Rösten der Frucht, wurden am Feuer Geschichten erzählt.

Liebespaare nutzten hohle Kastanienbäume als Briefkästen. Und während der Camisardenkriege gegen die französische Krone hielten die Hugenotten ihre Treffen im Schutz der Kastanienhaine ab.

2018 wählte die Dr. Silvius Wodarz Stiftung die Esskastanie zum Baum des Jahres 2018. Ihre Frucht ist kleiner, dunkler und runder als die Maroni. Die Maroni ist eine Weiterzüchtung der Esskastanie. Sie ist herzförmiger und  hat einen intensiveren und süßeren Geschmack.

• 500 g Kastanien • 200 g Zucker • 200 ml Wasser • 1 Tonkabohne • 1/2 Teelöffel Fleur de Sel

Die Kastanien waschen, die Schale einmal rundherum einschneiden und 15 Minuten auf kleiner Flamme aufkochen. Dann die Schale samt innerer Haut entfernen. Achtung: nicht zu viel Hitze auf einmal auf die Kastanien geben, sonst werden sie mehlig und bröselig!

Die enthäuteten Kastanien danach mit allen Zutaten erneut 30 Minuten auf kleiner Flamme kochen und dabei umrühren. Gegebenenfalls pürieren, bis die Masse schön cremig ist. Nach Belieben mit Rum, Armagnac oder Cognac abschmecken.

Die Kastanien sind heute wieder Brotbäume. Ihr Mehl ist eine glutenfreie sowie basische Alternative zu herkömmlichem Weizenmehl. Ihre Frucht machte Clément Faugier zur Leckerei.

1882 erfand er ein industrielles Verfahren für die Herstellung der glasierten Maroni, die bereits am Hof von Ludwig XIV. sehr geschätzt waren.

Drei Jahre später kam er auf die Idee, wie er den Bruch nutzen könnte, der bei der Herstellung der glasierten Früchte entstand. Er ließ den Bruch zerkleinern, versetzte ihn mit Maronenmark, Konfiseriesirup, Zucker und Vanille – voilà : Die berühmte Crème de Marrons de l’Ardèche war erfunden. Einst gab es sie nur in der berühmten Büchse, heute auch in kleinen Größen in der Tube.

Als „Goldbaum“  galt der Maulbeerbaum, der die Cevennen im 18. Jahrhundert zum Zentrum der Seidenraupenzucht machte. Doch bereits viel früher war dort in der Renaissance die Zucht des weißen Maulbeerbaumes gelungen – und damit die Futtergrundlage für den Seidenspinner. Dennoch kam die Seidenraupenzucht erst richtig in Schwung, als im Winter 1709 bei starkem Frost nahezu alle Kastanienbäume erfroren.

Die Maulbeerbäume waren weniger kälteempfindlich. Alte Kastanienhaine wandelten sich zu Maulbeerbaumplantagen. Und in den Cevennen begann das “goldene Zeitalter” der Seide.

Für die Zucht der Raupen veränderte sich die Architektur. Da die Raupen viel Licht und Luft brauchten, wurden die Häuser für eine solche magnanerie nun hoch als mehrstöckige Steinhäuser errichtet.

Wer sich ein großes Haus nicht leisten konnte, hielt auch im Keller und sogar  in den Wohnräumen Raupen  – auf Holzregalen mitten in der guten Stube.

Die Raupen waren empfindsame Hausgenossen. War es ihnen zu kalt, produzierten sie nur dünne Fäden. War es zu warm, zu feucht oder zu wenig belüftet, wurden sie krank.

Zum Ausbrüten wurden die Eier oft direkt am Körper in kleinen Beuteln aus Leinen getragen. Später gab es Brutöfen, die mit Petroleum beheizt wurden. War die Raupe ausgewachsen, stellten die Züchter Heidestöcke zum Verpuppen bereit. Drei Tage lang wickelte der Seidenspinner seine Fäden um die Ästchen und bildete einen weißen Kokon.

Um zu verhindern, dass der Faden beim Ausschlüpfen reißt, wurde das Verspinnen vorzeitig beendet und der Kokon in heißem Wasser eingeweicht, bis der Faden abgewickelt werden konnte.

Da die Arbeit sehr viel Fingerspitzengefühl erforderte, wurde diese Arbeit von Frauen oder sogar Kindern übernommen. Später wurde dieser Arbeitsschritt von Maschinen übernommen.

Frankreich stieg zum führenden Seidenproduzenten Europas auf. Dreiviertel aller Seide stammte aus den Pyrenäen. Der Boom der Seide ließ die Bevölkerung wachsen und sorgte dafür, dass die abgelegene Bergregion Anschluss an die Wirtschaftszentren erhielt. Ein wenig Wohlstand zog in die Berge.

Aufgrund mangelnder hygienischer Verhältnisse wurden die Seidenraupen in den Cevennen Mitte des 19. Jahrhunderts von der sich schnell ausbreitenden Fleckenkrankheit (la pébrine) befallen. Als Louis Pasteur 1867 ein Gegenmittel fand, war es zu spät.

Die Industrie importierte bereits den Rohstoff für die Seidenherstellung aus China und Japan. Nach dem Ersten Weltkrieg lag die Seidenindustrie in den Cevennen am Boden.

Doch die Goldbäume schmücken bis heute mit großen Blättern die Dörfer der Berge. Verarbeitet wurde die Seide vor allem in Lyon. Dort halten einige engagierte canuts bis heute ihr Handwerk lebendig. Klickt mal hier!

Vom 15. September bis 15. November werden im Süden des Départements Ardèche die Kastanien geerntet. Die Châtaigne d’Ardèche erhielt 2006 die AOC-Anerkennung, 2014 das AOP-Siegel für frische und getrocknete Kastanien und Kastanienmehl. Mit Ausstellungen, Ateliers und Kursen sowie Kastanienshop bringt euch Castanea die Frucht näher. • Parvis de l’Église, 07260 Joyeuse, Tel. 04 75 39 90 66, www.castanea-ardeche.com

Der Esskastanienanbau, die Seidenraupenzucht und andere traditionelle Wirtschaftszweige der Cevennen dokumentiert auf drei Etagen das Musée Cévenol. • 1, rue des Calquières, Le Vigan, Tel. 04 67 81 06 86, https://musee-cevenol.fr

Seit 1996 feiert Lassale in den Cevennen alljährlich sein Kastanienfest mit einem großen Produzentenmarkt und vielen Veranstaltungen. • www.facebook.com/FetedelachataigneLasalle

Musée de la soie

Das Seidenmuseum erläutert nicht nur Geschichte und Technik der Seidenherstellung, sondern lädt ein, auch einmal selbst sich in der Seidenzucht zu versuchen. Die Eier dazu werden Ende April verkauft und bei Bedarf auch per Post versandt. • Place du 8 Mai, Saint-Hippolyte-du-Fort, Tel. 04 66 77 66 47, www.museedelasoie-ceve nnes.com

Der markierte Themenweg führt in drei Varianten von 45, 60 und 90 Minuten in Saint-Hippolyte-du-Fort zu den Spuren, die die Seidentätigkeit hinterlassen hat.

In Cros verrät ein zwei Kilometer langer Lehrpfad, wie die Seidenproduktion die Landschaft geprägt hat.

Auf dem Naturlehrpfad kommt ihr auch an den Maulbeerfeldern von Kokuso vorbei in der Nähe der Spinnerei von Gréfeuilhe  mit den Soieries des Cévennes und Séricyne. Die Werkstätten können nicht besucht werden.

Der 8,5 Kilometer lange Weg der Spinnerinnen verläuft auf einer alten draille (Viehtriebsweg), die Colognac mit Lasalle verband und von den jungen Mädchen benutzt wurde, die nach Lasalle gingen, um in den Spinnereien zu arbeiten.

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Mehr zu den Cevennen findet ihr hier.

Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.

Strandvergnügen und Kultur, quirlige Städte und wildromantische Landschaften: Von den Cevennen über das Languedoc bis hin zum Roussillon findet ihr dort Highlights und Kleinode, Tipps für Entdecken und Sparfüchse – und Adressen, die ich neu entdeckt und getestet haben. Denn dieser Landstrich ist seit 2014 meine zweite Heimat.

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Ein wunderbarer und spannender Artikel. Vielen Dank dafür!

Sogar in Schleswig gab es diese Zeiten, zu denen die Seidenraupenzucht versucht wurde. Ein grosser Maulbeerbaum gegenüber vom Bahnhof trug noch in meiner Kindheit üppig die leckeren Früchte. Viele Jahrzehnte später durfte ich die auf meinen Reisen durchs Zentralmassiv wieder geniessen.

Ehrlich, Hanns, so weit im Norden? Ich staune! Alles Gute in die Heimat! Hilke

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