Münchens neues Kunstkraftwerk: Allguth-Brüder bauen Bergson

2022-10-11 17:18:32 By : Ms. Kyra Yu

Am 10. Oktober 2023 eröffnet das neue Kunstkraftwerk Bergson. Die Allguth-Brüder Christian und Michael Amberger schaffen ein Kulturparadies für jedermann. Ein Besuch auf der Baustelle.

Sie haben nicht aufgegeben, als ihnen das Wasser im Keller bis zu den Knien stand. Sie haben nicht aufgegeben, als sich zeigte, dass Turmfalken unterm Dach nisten. Und selbst von der Mopsfledermaus haben sie sich nicht stoppen lassen. Sondern ihr und den Greifvögeln einfach eigene Zimmer eingerichtet. Christian und Michael Amberger hatten eine Vision – und die wird durchgezogen. Am 10. Oktober 2023, heute in einem Jahr, soll sie erlebbar sein. Dann eröffnet das Bergson. Münchens neues Kunstkraftwerk. Oder um es in Social-Media-Sprech zu formulieren: Das wird das neue große Ding in der Stadt.

Man muss sich nur von Michael Amberger und seinem Artistic Director Roman Sladek über die Baustelle in Aubing führen lassen – und ist angefixt. Weil hier nicht bloß groß getönt, sondern gemacht wird. Über das politische Hickhack um die Frage, wie viele Konzertsäle München braucht, können die Ambergers nur lächeln. Sie verwirklichen auf dem Gelände des einstigen Heizwerks einfach alles auf einmal: Konzertsaal, Kunstgalerie, Nachtclub, Kaminzimmer, Kleinkunstbühne, Restaurant, Biergarten – und in jedem Raum eine Bar. Kulturgenuss mit allen Sinnen. Rund eineinhalb Jahre nach Baubeginn sind sie komplett im Zeit- und Kostenplan. So ist das, wenn Menschen ein Projekt umsetzen, die am Ende auch selbst – und nicht der Steuerzahler – die Verantwortung für das Ergebnis tragen müssen.

Das Ziel ist eine schwarze Null. Der persönliche Antrieb der Inhaber und Geschäftsführer des Familienunternehmens Allguth ist aber unübersehbar nicht der große Reibach, sondern: die Liebe zur Kultur. Michael Amberger strahlt bis über beide Ohren, wenn er einen ins Atrium führt. Erwartungsvoller Blick zu seiner Besucherin – und klar strahlt die sofort mit. Was für ein Raum! 25 Meter hoch ist die ehemalige Kesselhalle, durch die deckenhohen Fenster lichtdurchflutet, die einstigen Kohlesilos, Stahl und Beton versprühen Industrieromantik. Diese Wahnsinnshalle soll das Herzstück des Bergson werden. Und man sieht sich selbst schon dort auf der Treppe sitzen, ein Glas Wein in der Hand, den Blick auf die Bühne unten gerichtet, wo vielleicht gerade ein Kabarettist auftritt. Im Restaurant essen Menschen, die gleich zum Jazz im angebauten Konzertsaal gehen werden; im Kaminzimmer, oben über den Silos, diskutieren Geschäftsleute bei einem privaten Event, das man hier buchen kann, und in der Kunstgalerie ein paar Meter weiter schauen die, die eigentlich nur im 500 Plätze umfassenden Biergarten hatten Rast machen wollen, bei der zeitgenössischen Kunst vorbei. „Wir möchten nicht wenige Kenner, sondern möglichst alle Kunstinteressierten im Bergson begrüßen“, sagt Michael Amberger.

Wie holen wir jeden ab, das war die Frage. Immer wieder betont Amberger, wie entscheidend dafür die richtigen Leute an den richtigen Stellen sind. Der Team-Gedanke wird hier großgeschrieben. Dafür haben sich die Brüder offen gezeigt für junge Wilde wie Roman Sladek. Der Gründer der Jazzrausch Bigband hat keine Angst davor, auch im Bergson künstlerisch neue Wege zu gehen. „Unser Credo bei der Programmgestaltung ist: Lasst uns nicht schauen, wie wir die Etablierten nicht vergraulen. Lasst uns schauen, wie wir Neue gewinnen!“ Und letztlich würden sich auch die von Staatsoper, Gasteig und Co. Verwöhnten freuen, wenn nicht wieder nur ein auf klassische Musik ausgerichteter Tempel errichtet wird. „Nichts gegen die sogenannte E-Musik“, betont Sladek, der selbst klassische Posaune studiert hat (neben vielem anderen, doch das ist eine Geschichte für sich). „Aber lasst uns doch mal aufhören mit dem Genre-Denken – und stattdessen die Grenzen sprengen.“ Im Bergson trifft Rock auf Jazz auf Pop auf Klassik auf Elektro – und so vieles mehr. Wichtig ist dem Team, dass sich das Haus als Marke etabliert. Das Bergson soll kein Mittel zum Zweck sein, um einen bestimmten Künstler oder eine bestimmte Künstlerin zu sehen. Sondern ein Ort, an den man kommt, weil man sich dort pudelwohl fühlt – und immer wieder überraschen lassen möchte, auf höchstem Niveau.

Und das eben nicht mitten in der Innenstadt. Aubing ist weit draußen? „Wir müssen an ganz München denken. Oft kommt die Frage: ,Wer fährt denn extra nach Aubing raus?‘, das ist sehr elitär von denen gedacht, die mitten in der Stadt leben. Andersherum möchte ich fragen: Warum sollen alle anderen immer extra reinfahren müssen?“, sagt Amberger. In sieben Minuten läuft man von der S-Bahn-Haltestelle Langwied zum Bergson, die grauen Wände an der Straße möchten sie von Künstlerinnen und Künstlern bemalen lassen. Auch 200 Parkplätze sind geplant. Für Autofahrer gibt es dann eben nur Alkoholfreies an den vielen Tresen. Im Live-Club im Keller etwa. Der, der vor Baubeginn unter Wasser stand. Jetzt wird daraus ein intimer Raum für Lesungen, Solo-Programme, auch – warum denn nicht? – Raves. „Barbastelle“ wird er heißen. Angelehnt an das lateinische Wort für Mopsfledermaus. Aus anfänglichen Problemen am Ende eine Bar machen – was soll bei dieser lebensbejahenden Einstellung noch schiefgehen?